The Game

Filmkritik

Geschrieben am 14.12.2020 von Kilian Atzenhofer

ACHTUNG: Spoilerkritik!

Stellt euch mal vor, ihr macht bei einem Spiel mit und es gerät augenscheinlich außer Kontrolle:

Euer Haus wird verwüstet. All euer Besitz wird euch genommen. Ihr werdet in einem Taxi eingesperrt und im Hafenwasser versenkt. Es wird mehrfach auf euch geschossen. Ihr werdet unter Drogen gesetzt und nach Mexiko entführt. Ihr denkt, ausversehen euren eigenen Bruder getötet zu haben. Ihr seht keinen Ausweg, entscheidet zu sterben und stürzt euch von einem Hochhaus in den Tod.

10 Sekunden später: hEhEhEhEhEhEhE Spaß Bruder, war alles nur ein Witz

Begründung: Du wärst ja immerhin fast ein Arschloch geworden.

Ende gut, alles gut!

Ich weiß beim besten Willen nicht, wie David Fincher zu dieser Idee gekommen ist und sich zudem dachte, dass es in irgendeiner Art und Weise Sinn ergibt.

“The Game“ und vor allem sein Ende gehören zu den berühmtesten Thrillern/Plottwists aller Zeiten und heute würde ich gerne meinen Gedanken, diesem Projekt gegenüber zum Ausdruck verhelfen.

Nicholas van Orton ist ein Mann, der scheinbar alles hat. Vom Selbstmord seines Vaters verfolgt, lebt er zurückgezogen, mit wenigen sozialen Kontakten in seiner Villa. Zu seinem 48sten Geburtstag bekommt er von seinem Bruder Conrad ein Geschenk in Form eines Gutscheins für die Dienste eines Unternehmens namens CRS, die bestimmte, auf den Auftraggeber zugeschnittene Spiele anbieten, die das Leben des Spielenden für immer verändern sollen… Und was soll man sagen, verändert wurde es definitiv. Aber mit welchen Mitteln und zu welchem Zweck? Bei einer solchen Grundhandlung hätte ich gerade von David Fincher, der mit seinen anderen Werken sehr gut zeigt, wie er die Psyche der Menschen erfassen und verdrehen kann, erwartet, äußerst vorsichtig und präzise an die Figur des Nicholas van Orton zu gehen und jede seiner Lebensumstände bei der Wurzel zu packen. Stattdessen wird jede Komponente auf brachiale Weise mit dem Vorschlaghammer bearbeitet, bis diese Tour de Force mit folgender, glorreicher Einstellung enden kann: „So, jetzt bin ich aber ein ganz anderer Mensch und habe aus meinen Fehlern gelernt“. Ich bin beim besten Willen kein Psychoanalytiker, aber was Michael Douglas am Ende des Films eigentlich braucht, ist kein Martini zum feiern, sondern eine seelische Behandlung der ganz feinen Art. Das CRS dann auch noch zu Beginn des Films behauptet, noch nie einen unzufriedenen Kunden gehabt zu haben, ist fast schon lachhaft.

Im Grunde will ich gar nicht sagen, dass “The Game“ ein schlechter Film ist. Die einzelnen Szenen sind allesamt wunderbar atmosphärisch inszeniert, es wird im Grunde nie langweilig und wir haben einen Michael Douglas in Höchstform. Die Probleme, die diese Aspekte wiederum torpedieren, ist die Handlung selbst. Ein solches Szenario zwingt den Zuschauer ständig dazu, mental an den äußersten Rand des Plots zu gehen, bzw. sich ständig (wie in diesem Fall) zu denken: „Wahrscheinlich läuft eigentlich gar nichts außer Kontrolle und das Ganze ist genau so von der Firma geplant.“ Was daraus folgt, ist zum einen eine starke Drosselung der Spannung, zum anderen ein Missvertrauen und eine Gleichgültigkeit gegenüber den Figuren.

Ich stelle mir gerne vor, dass David Fincher nach “Se7en“ mit “The Game“ beabsichtigt einen Schritt zurückgegangen ist, in dem Wissen, dass sein nächstes Werk die Filmlandschaft und vor allem meine Art, Filmfiguren zu betrachten, für immer verändern wird.

Seife.

The Game

Veröffentlichung

20. November 1997

Regie

David Fincher

Laufzeit

129 Minuten

Besetzung

Michael Douglas: Nicholas van Orton
Sean Penn: Conrad van Orton

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